Hochseeausweis – Abend 2: Loxodrome und die Deviation.

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Navigation üben im Hochseeausweis-KursSo langsam geht es also los mit dem Hochsseschein-Kurs. Da wir uns hauptsächlich auf die terrestrische Navigation stützen, werden heute Abend die Grundlagen zu den wichtigsten Hilfsmitteln geklärt: Der Kompass und die Seekarte.

Die Grundlage für alle Navigation ist unsere Seekarte, die wir an Bord unseres Bootes vorfinden. Diese muss für unseren Gebrauch aktuell sein, dass heisst bei älteren Karten müssen die notwendigen Berichtigungen angebracht sein. In der Praxis wird man solcherart korrigierte Karten besonders im Mittelmeer aber eher seltener antreffen.

Die Seekarte

Seekarten sind in der Regel „Mercator-Karten“, bei denen die Erdkugel so abgebildet wird, dass Sie auf der flachen Seekartenprojektion trotzdem annähernd Form- und Winkelrecht dargestellt wird und sich die Breiten- und Längenkreise auf der ganzen Karte im rechten Winkel zueinander befinden. Dabei kommt es allerdings zu Verzerrungen, die zu den Polen hin stark zunehmen.

Auf einer Mercator-Karte ist der kürzeste Weg derjenige, auf dem die Meridiane immer im gleichen Winkel geschnitten werden.Wenn Sie schon mal mit einem Flugzeug z.B. von Zürich nach Chicago geflogen sind, kennen Sie die etwas seltsam anmutende Darstellung der kürzesten Flugroute auf dem Bildschirm an Bord.
Anstelle der wie nebenstehend dargestellten graden Linie, die ja den schnellsten Weg von A nach B darstellen sollte, fliegen wir mit dem Flugzeug eine abenteuerlich anmutende Kurve, die ziemlich weit nördlich der „Ideallinie“ verläuft.

Orthodrome auf dem GlobusTatsächlich ist aber die kurvenförmige Kursline die kürzeste Verbindung der beiden Orte auf der Erde – denn Sie folgt genau einem Grosskreis, den man sich als Verbindung der beiden Orte denken könnte. Bedingt durch die Projektionsart des Globus auf die Karte erscheint sie uns jedoch länger.

Ich habe hier zur Verdeutlichung mal ein Band auf einen Globus gelegt und ungefähr die beiden Städte Zürich und Chicago miteinander verbunden. Wie Sie sehen, verläuft die gerade Linie ungefähr so wie weiter oben die gebogene Kurslinie: Die, die sie auch im Infosystem des Flugzeuges zu sehen bekommen.

Die „Grosskreis-Navigation„, wie Sie Flugzeuge oder auch die Grossschiffahrt betreiben, würde uns also schneller zum Ziel führen, dabei aber den Aufwand für die Navigation für uns Freizeitkapitäne erheblich steigern. Ausserdem bietet die Grosskreisnavigation nur auf wirklich grossen Entfernungen oder in hohen Breiten für uns einen wirklichen Vorteil, so dass sich bei der Yachtnavigation die Mercator-Projektion anbietet. Alle Seekarten die für uns im weiteren von Bedeutung sind, sind i.d.R. Mercator-Karten.

Auf den Seekarten selbst finden sich wichtige Hinweise zur Nutzung derselben, wie z.B. das zugrunde gelegte Bezugssystem, in Europa meist das WGS 84 System, das meist auch im Bord-GPS eingestellt ist. Koordinaten von der Karte lassen sich so zwischen GPS-Plotter und Karte hin- und herüber tragen um z.B. Wegpunkte festzulegen etc. Achten Sie bei Verwendung einer Seekarte und eines Plotters immer unbedingt auf das verwendete Bezugssystem, welches bei Karte und Plotter identisch sein muss!

Die Positionen an der Seekarte.An den Rändern der Seekarte können die Positionen an einer Art Massstab abgelesen werden.
Dabei ist in der horizontalen Achse die geografische Länge und in der vertikalen Achse die geografische Breite abzulesen. In dem hier gezeigten Beispiel entspricht eine farbig abgegrenzte Teilung am vertikalen Rand einer Bogenminute eines Meridians – und das ist genau eine Seemeile. Diese ist in fünf Segmente unterteilt, ein kleiner Teilstrich entspricht daher 0,2 Seemeilen, also ca. 370 Meter. Damit eignet sich diese Skala auch zur Bestimmung von Entfernungen in Seemeilen. Es dürfen, bedingt durch die Kartenprojektion, nur die jeweils seitlichen Skalen zur Entfernungsermittlung verwendet werden!

Die Seekarte enthält noch viele weitere Informationen, z.B. zur Referenz des Kartennullpunktes – die uns im späteren Verlauf noch intensiver begegnen werden. Ab hier interessiert uns nun vor allem noch eine mindestens einmal vorhandene Angabe: Die Kompassrose, aus der wir für unsere Navigation wichtige Informationen entnehmen können:

Der Kompasskurs

Eine typische KompassroseAuf unserer Mercator-Karte zeigen die Meridiane, immer zum geografischen Nordpol. Diese Richtung wird auch „Karten-Nord“ genannt und ist unsere Referenz zur Arbeit auf der Karte.
Dummerweise ist der magnetische Pol nicht mit diesem geografischen Nordpol identisch. Der magnetische Pol befindet sich ca. auf 75° nördlicher Breite und 100° westlicher Länge und ist somit einiges vom geografischen Pol entfernt. Hinzu kommt noch, dass der magnetische Pol wandert.

Und der magnetische Nordpol ist das, wo unser Kompass an Bord hinzeigend würde, wäre er nicht noch zusätzlich vom Metall und den Systemen an Bord abgelenkt.

Um die von unserem Kompass angezeigte Richtung also mit dem Karten-Nord in Deckung zu bringen, muss die Anzeige des Kompasses berichtigt werden. Das lässt sich leider nicht durch ein einfaches und einmaliges verstellen der Kompassrose bewerkstelligen: Die Missweisung zum Magnetpol und die Ablenkung durch das Schiff ist nicht konstant, sondern von der Position des Schiffes und seiner Kursrichtung abhängig.

Verschiedene Kurse am Kompass und in der KarteDas führt dazu, dass man am Kompass einen anderen Kurs abliest als man wirklich fährt.

  • Der Kompasskurs:
    Die Richtung, in die unser Kompass zeigt – Beeinflusst von Ablenkung (Deviation) und Missweisung (Variation).
  • Der missweisende Kurs:
    Die Richtung, in die der Kompass zeigen würde, wenn er nicht von Schiff und Ausrüstung beeinflusst wäre. Das ist genau auf den magnetischen Nordpol hin.
  • Rechtweisend Nord:
    Die Richtung in die die Meridiane unserer Karte zeigen – Also zum geografischen Nordpol hin.

Um unseren abgelesenen Kompasskurs also nun in die Karte übertragen zu können müssen wir ihn um die Fehler von Missweisung und Ablenkung korrigieren.

Die für das Seegebiet in dem wir unterwegs sind gültige Missweisung entnehmen wir einer Kompassrose, die sich möglichst nah an unserer Position auf der Seekarte befindet. Es kann nämlich durchaus sein, dass bei grosser magnetischer Varianz in einem Fahrtgebiet mehrere Kompassrosen abgebildet sind. So eine Kompassrose sehen Sie weiter oben, drauf klicken macht das Bild gross.

Der äussere Kreis ist die Einteilung nach geografisch Nord, der innere Kreis entspricht dem was Ihr Kompass anzeigen würde. Die lange Nadel in der Mitte zeigt nach magnetisch Nord. Die Zahlen entlang der Achse verraten die zum Zeitpunkt des Drucks (Jahr 2005) in diesem Gebiet gültige Missweisung der Kompassnadel: 4° 15′ nach Osten. Damit man sich nicht jedes Jahr eine neue Karte kaufen muss, verrät die Zahl in Klammern die jährliche Änderung der Missweisung: 8′ West.

Die Missweisung in diesem Beispiel verändert sich also jedes Jahr um 8 Minuten eines Grades in westliche Richtung. Im Jahr 2014 würde die Missweisung an diesem Ort also 4° 15′ Ost – (2014-2005) * 8′ (West) betragen. Die Änderung in 9 Jahren entspricht 72 Minuten eines Grades, dass sind 1 Grad (1° = 60′) und 12 Sekunden. Die Missweisung im Jahr 2014 wäre also 3° 03′ Ost.

Eine Änderung nach Westen bewirkt eine Subtraktion, eine Änderung nach Osten hingegen würde zu einer Addition der Missweisung führen. Das gilt auch, wenn die Nordrichtung nach Westen hin überschritten würde und die Missweisung eigentlich wieder zunimmt – Die „Gradzahlen“ nehmen weiterhin ab!

Um nun noch die Ablenkung der Kompassnadel durch das Schiff und seine Systeme selbst zu kompensieren, benötigen wir eine sogenannte „Deviationstabelle“ in der die Ablenkung des Kompasses in Abhängigkeit seiner Lage zum magnetischen Nordpol erfasst wird.
Teil einer Deviationstabelle
Eine solche Tabelle kann man selbst erstellen in dem man mit dem Boot zwei gegensätzliche Vollkreise – einmal unter Motor und einmal unter Segel – fährt und mittels GPS-Kurs den angezeigten und um die Missweisung korrigierten Kompasskurs in eine Wertetabelle einträgt. Diese Wertetabelle ist dann unsere Deviationstabelle, mittels derer wir einen angezeigten Kompasskurs in einen rechtweisenden Kartenkurs und umgekehrt verwandeln können.

Genug der Verwirrung für heute!?
Dann lassen wir es erstmal gut sein. Einen kleinen Sinnspruch zur Kursverwandlung möchte ich aber noch bringen:

Vom Richtigen zum Falschen mit falschen – und vom Falschen zum Richtigen mit richtigen Vorzeichen rechnen. Dann kommt alles gut 😉
Wobei der „falsche“ Kurs der Kompasskurs ist und der „richtige“ Kurs, derjenige den wir in unsere Karte eintragen…

In ein paar Tagen geht es dann – weil eine Richtung ohne Bewegung nichts halbes und nichts ganzes ist – mit ein paar Brocken Theorie zum Thema „Distanz und Fahrt“ weiter. Das Ganze wird dann noch ergänzt durch einen Ausflug in das spannende Lateral- und Kardinalsystem mit vielen blinkenden Lichtlein und bunten Formen…

Bis bald!

Dieser Artikel ist Teil einer Serie.
Eine chronologisch sinnvoll sortierte Übersichtsseite über alle bislang erschienenen Artikel zum Thema Hochseeschein finden Sie hier:
Der Hochseeschein – Der Weg zum Schweizer B-Schein.


Illustration Mercartor-Karte: © Alfonso de Tomás – Fotolia.com

2 Kommentare
  1. Michel
    Michel sagte:

    Eine Frage zum missweisenden Kurs: Wenn die Variation 2°Ost beträgt, muss jetzt dieser Wert zum Kompasskurs addiert oder subtrahiert werden? Östlich heisst doch eigentlich addiert und zum Kompasskurs subtrahiert, also insgesamt subtrahiert?

    Antworten
    • Uwe
      Uwe sagte:

      Die Lieblingsfrage im Kurs. Kommt immer wieder 🙂
      Kommt auf die Richtung der Kursverwandlung an. Vom MgK zum rwK mit richtigen Vorzeichen, vom rwK zum MgK mit falschen Vorzeichen rechnen.
      Wenn Du also den Kompasskurs hast und den rechtweisenden Kurs ermitteln möchtest (falsch zu richtig -> richtige Vorzeichen), musst Du bei einer MW von 2° Ost diese 2° zum MgK addieren.

      Wieso? Der Bezugspunkt unserer Berechnungen ist die Karte, in die wir die Kurse einzeichnen.
      Missweisend Nord ist gegenüber rechtweisend Nord um 2° nach Osten versetzt. Das bedeutet also, dass sich auf der Karte rechtweisend Nord zu missweisend Nord um 2° verschoben im Westen befindet. Und deswegen muss eine östliche Missweisung zum MgK addiert werden, damit unser richtiger Nordpol wieder nach oben zeigt.

      Beispiel:

      MgK = 038°
      MW = 7° Ost (+)
      ===========
      rwK = 045°

      Und das ganze dann mal visualiert:
      Missweisung

      Dank an Sascha Gärtner für diese Zeichnung.
      Ich war zu faul das selbst zu zeichnen und ich finde, diese Visualisierung macht es recht einfach klar…

      Antworten

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