Charity Segeln mit dem Sailcom Boot „Mistral“ – Mein Erlebnisbericht.

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In der letzten Augustwoche konnte ich einen wirklich aussergewöhnlichen Segelanlass durchführen: Segeln mit grösstenteils von harten Drogen abhängigen, vorbestraften Menschen, die in einer Einrichtung zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft wohnen.
Drei sehr spezielle Tage auf dem Neuenburgersee. Tage, die meine Art und Weise über manche Menschen zu denken zwar nicht grundlegend veränderten, aber tiefe und sehr positive Eindrücke hinterliessen.

Sprung ins Wasser des Neuenburgersees

Angefangen hatte alles mit einer eher privaten Anfrage, ob ich nicht mit meinem Boot ein paar Tage des Sommerlagers dieser Einrichtung begleiten könnte. Etwas skeptisch war ich ja schon und meine Nomade ist für einen solchen Event auch definitiv zu klein. Aber schliesslich siegte die Neugierde und wo ein Wille ist, ist bekanntlich auch ein Weg.

Dieser Weg hiess Sailcom:
Zum Glück bin ich ja als Sailcom-Mitglied extrem flexibel was Bootsgrössen und Segelreviere in der Schweiz angeht. Mir stehen dank Sailcom Segelboote aller Grössen auf fast jedem grösseren See in der Schweiz zur Verfügung. Das Organisatorische war also schnell geklärt und die Mistral, „mein“ Sailcom-Boot aus Neuenburg, für drei Tage im August gebucht.
Auf der Mistral würde ich übernachten und tagsüber die Ausfahrten mit jeweils einem Teil der Gruppe durchführen können. Wenn nur alles glatt geht…

Um es vorweg zu nehmen: Und wie alles glatt gegangen ist! 

Als ich am späten Montagnachmittag nach längerer Überfahrt von Neuenburg kommend in Grandson eintraf, wurde ich von der am Ufer grillenden Truppe direkt wie ein alter Bekannter sehr freundlich und vor allem sehr direkt begrüsst. Innert weniger Minuten lag das Steak auf dem Teller und war die Bierdose in der Hand.
Das anschliessende „Beschnuppern“ zog sich noch einige Zeit in die Nacht und so hatte ich die Gelegenheit die Crew des nächsten Tages und die Begleitpersonen schon einmal fern vom Hafen in persönlicher Atmosphäre kennenzulernen.

Mit einem guten Gefühl für den nächsten Tag übernachtete ich also an Bord der Mistral, gespannt der Dinge, die da noch kommen sollten.

Relativ pünktlich am Dienstag Morgen schliesslich erschien die Truppe am Steg. Die neben uns noch anwesenden anderen Böötler schauten etwas verunsichert und ungläubig auf die bunte Schar, die dort recht unkonventionell und lautstark auftrat.
Nach dem Vorstellen des Bootes und der obligaten Sicherheitseinweisung schliesslich verteilte ich die Chargen: Wer steht an der Vorleine, wer setzt nachher die Segel? Meine Crew war hochmotiviert und wirklich schwer bei der Sache. Wie heisst es doch so schön bei einer schweizweit bekannten Hochsee-Segelschule: „Hier steuern Sie das Boot“.

Meine Aufgabe beschränkte sich tatsächlich darauf, das Hafenmanöver zu fahren und darauf zu achten, dass die Anweisungen zeitgerecht (also nicht zu früh) ausgeführt wurden.

Nach dem Auslaufen und dem Setzen der Segel wurde mir die Pinne quasi aus der Hand gerissen und fast jeder wollte das Boot einmal steuern. Nach einiger Eingewöhnung klappte das ganz gut und fast zu schnell kamen wir unserem Ziel, den tollen Strand vor Yvonand, näher.

Während der Überfahrt teilte sich unsere Crew in zwei Gruppen: Diejenigen, die gern selbst Hand anlegen und diejenigen , die eine Kreuzfahrt zu geniessen wissen.

Vor dem Strand von Yvonand ankerten wir in cirka 500 Meter Entfernung auf Sand und 3 Meter Wassertiefe. Da wir ein Gummiboot mitgenommen hatten, konnte der Transfer ganz in seemännischer Manier mittels Dinghy erfolgen. Wobei es beim Umsteigen zu lustigen Situationen kam: Zum Glück gibt es Schwimmwesten.

Nach einem tollen Nachmittag mit Picknick und ausgiebigem Baden im See fuhren wir mit leicht geänderter Crew wieder zurück, das Begleiterteam hatte ein Auto nach Yvonand geführt, so dass wir dort einen Crewwechseln vollführen konnten.

Mit einer schönen Abendbise ging es zurück nach Grandson, wo wir gegen 17:00 Uhr rechtschaffen müde ankamen. Das Lagerfeuer und einige leckere gegrillte Forellen schlossen diesen tollen Abend ab.

Zurück auf dem Boot gingen mir einige Gespräche mit den Mitsegelnden durch den Kopf.
Drogenkarrieren, Beschaffungskriminalität und die meist recht unbeschönigende Beschäftigung mit der eigenen Geschichte.
Ziemlich intensive (Lebens-) Geschichten, die doch etwas schwer im Magen lagen. Auf der anderen Seite eine sehr ehrliche und zugängliche Solidarität untereinander und auch im Umgang mit mir. Zu keiner Zeit hatte ich Angst z.B. bestohlen zu werden, obwohl sich viele Gespräche um das Beschaffungsthema drehten. Ich war gespannt auf den zweiten, den abschliessenden, Tag.

Am Vormittag gab es nochmal eine gut zweistündige Ausfahrt, die mangels Wind zum Baden und Rettungsring-Fahren genutzt wurde.
Ein Mordsspass, der aber auch müde machte,weswegen wir schon recht früh wieder zurük im Hafen waren.

Nach der Badefahrt musste das Boot wieder zurück nach Neuenburg an den Steg. Begleitet von einem Bewohner und einem Angestellten ging es am Nachmittag schliesslich bei auffrischendem Wind (mit blinkender Sturmwarnung ab Val de Travers) zum Nid-du-Cro. Eine Rauschefahrt, genau wie die vorangegangenen Tage.

Im Abschluss und nun auch mit einiger zeitlicher Distanz war dieser Anlass, nicht nur für die Teilnehmenden, ein voller Erfolg
Ich erhielt einen interessanten und intensiven Einblick in Lebenswelten, die ich mir niemals vorstellen konnte und die Teilnehmenden konnten nicht nur ein paar Stunden auf einem Segelboot verbringen, sondern aktiv und soweit möglich selbstbestimmt Verantwortung übernehmen, Aufgaben autonom ausführen und aktiv an einer Gemeinschaft auf engem Raum partizipieren. Etwas, das auf allen Seiten sehr gut ankam!

Wenn auch nur für ein paar Stunden: Ein Törn mit Gewinn für alle Seiten.

Ich möchte mich an dieser Stelle deswegen auch beim begleitenden Team für die Möglichkeit bedanken, Menschen, die sozial am äussersten Rand der Gesellschaft stehen, für einen Moment begleitet haben zu dürfen.

Merci auch besonders an die Teilnehmenden. Dafür, dass ihr mich Ernst genommen, anerkannt und einen kurzen Moment mitgenommen habt. Es waren schöne Tage! Auch die tolle Bewirtung während meines Besuches bei Euch „zuhause“ zum gemeinsamen Fotos anschauen war einfach nur genial.

Meiner Meinung ist eine Segelfreizeit nicht nur für Menschen mit besonderen Beürfnissen im körperlichen oder geistigen Bereich eine Bereicherung. Grade auch für sozial benachteiligte Menschen kann ein solcher Törn Anlass sein, den Alltag zu vergessen und verschüttet geglaubte Fähigkeiten zumindest mal wieder zu spüren. Mehr zu erwarten wäre vermessen. Aber immerhin…

Sollten Sie zufälligerweise beruflich oder sonstwie mit diesem Bereich befasst sein und sich vorstellen können, auch einmal einen solchen Anlass in Ihr Umfeld zu integrieren, freue ich mich auf Ihre Nachricht. Es ist preiswerter als Sie vielleicht jetzt noch denken…

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